Bedeutung jahrelang unterschätzt?

Niedrige Vitamin-D-Spiegel stehen  in  Verbindung mit einer erhöhten Sterblichkeit. Zu diesem Ergeb- nis kamen Wissenschaftler im Rahmen einer groß angelegten Studie, die den Zusammenhang zwi- schen einem Mangel an Vitamin D und der Sterb- lichkeitsrate untersuchte. Dabei ist es nicht – wie man vermuten könnte – die Osteoporose, die zu die- sem Ergebnis führt: Ein Mangel an  Vitamin  D scheint einen direkten Einfluss auf erhöhte Krank- heits- oder Sterberaten durch Herz-Kreislauf-Erkran- kungen, Krebs, Diabetes, Erkrankungen der Atem- wege und Infektionen zu stehen. Eine Warnung, die durchaus ernst zu nehmen ist, denn mehr als die Hälfte aller Menschen in Deutschland sind  von einem Mangel an Vitamin D betroffen.

Vitamin D ist weithin bekannt als das Sonnenvitamin. Der menschliche Organismus bildet lebenswichtiges Vitamin D, wenn Teile des Körpers mit Sonne bestrahlt werden. Hohe Anteile des täglichen Bedarfs können so abgedeckt werden, vorausgesetzt, man verbringt ausreichend Zeit bei Tageslicht im Freien. Darüber hinaus gilt die Ernäh- rung als zweite wichtige Quelle, um Vitamin D in ausrei- chendem Maße verfügbar zu haben.

Vitamin D wird unter Einfluss von Sonnenlicht vom Körper selbst gebildet. In der Winterzeit mangelt es häufig an einer körpereige- nen Synthese.

Streng genommen ist Vitamin D kein Vitamin, sondern die Vorstufe eines Hormons. Im Körper ist es für zahlreiche biologische Abläufe verantwortlich. Dazu zählen unter anderem die Regulierung des Calcium- und Phosphat- haushalts sowie deren Bereitstellung für den Knochenaufbau, die Unterstützung der Immunfunktion, die Hem- mung des Zellwachstums von Tumorzellen, seine Wirkung im Rahmen des Zuckerstoffwechsels und der Insulinaus- schüttung, oder auch nervenschützende Effekte.

Umgekehrt spiegelt sich ein chronischer Vitamin-D-Man- gel auf breiter Ebene wieder: Die bekanntesten Krankhei- ten, die einem Mangel an Vitamin D zugeordnet werden, sind Rachitis bei Kindern und Osteomalazie bei Erwachse- nen. Aber auch das Immunsystem ist betroffen und wird durch einen Mangel geschwächt. Einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und einer gesunden Funktion des Immunsystems sehen viele Wissenschaftler z.B. darin bewiesen, dass Erkältungen vermehrt zum Ende der kal- ten und dunklen Jahreszeit auftreten. Der Vitamin-D-Vor- rat ist erschöpft, die körpereigene Bildung begrenzt und das Immunsystem anfälliger für virale Infekte.

Bei Diabetikern wird oftmals ein Mangel an Vitamin D beobachtet und der Zuckerstoffwechsel wird nachhaltig beeinträchtigt. Menschen mit einem geringen Vitamin-D- Status sehen sich einem erhöhten Risiko für Krebserkran- kungen, wie zum Beispiel Darmkrebs, ausgesetzt.

Ernüchternde Werte zur Versorgungslage

Bevorzugt wird uns durch die Medien suggeriert, unsere Versorgungssituation sei gut und ein Mangel an Mikro- nährstoffen sei unwahrscheinlich. Am Beispiel Vitamin D wird deutlich, dass dem nicht so ist. Deutschland ist ein Vitamin-D-Mangelgebiet und die Zahlen geben Anlass zur Sorge: Die Versorgungslage ist unzureichend und die Mehrheit der Bevölkerung von einem Mangel betroffen.

Messparameter für den Vitamin-D-Status ist die 25(OH)D- Serumkonzentration. Mit Werten von über 75 nmol/l gilt der Vitamin-D-Spiegel allgemein als gut, Werte oberhalb 50nmol/l gelten als noch ausreichend. Kritisch wird es unterhalb dieser Marke, die nach Angaben des Robert- Koch-Instituts von über 60% der Bevölkerung nicht erreicht wurde.

Nicht unerhebliche 15% (Kinder und Jugendliche einge- schlossen) lagen sogar unterhalb 25 nmol/l, ein Wert, der als sehr niedrig eingestuft ist. Besonders gravierend ist der Mangel in den Wintermonaten, wenn die körpereigene Vitamin-D-Bildung aufgrund geringer Sonnenlichtein- wirkung auf die Haut absinkt.

6 von 10 Menschen in Deutschland haben einen Vitamin-D-Mangel. Für rund 15% gilt die Situation als sehr kritisch.

Studie zeigt verheerende Auswirkungen eines Vitamin-D-Mangels

 Die eingangs genannte „ESTHER“-Studie (Epidemiologi- schen Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung), in deren Verlauf rund 10.000 Männer und Frauen im Alter zwischen 50 und 74 Jahren eingeschlossen wurden, zeigt deutlich die Auswirkungen eines Vitamin-D-Mangels:

„ Die Sterblichkeit war bei Teilnehmern der ESTHER-Studie mit sehr niedrigen und niedrigen Vitamin-D-Spiegeln statistisch signifikant höher als bei Probanden, die höhere Vitamin-D- Konzentrationen im Blut aufwiesen. Nach Berücksichtigung aller Störfaktoren war die Sterblichkeitsrate innerhalb der achtjährigen Beobachtungszeit bei Probanden mit sehr niedri- gen Vitamin-D-Werten 1,7-fach, und bei Teilnehmern mit niedrigen Vitamin-D-Werten 1,2-fach erhöht.

 Studienteilnehmer mit sehr niedrigen Vitamin-D-Werten hat- ten insbesondere ein erhöhtes Risiko, an einer Erkrankung der Atemwege zu versterben (2,5-faches Sterberisiko). Auch erlagen sie häufiger Herz-Kreislauferkrankungen (1,4-fach) oder Krebs (1,4-fach).“

 (Quelle: http://idw-online.de/de/news530366;
weitere Infos: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23446902)

Daneben liegen weitere Studien vor, die einen Mangel an Vitamin D als Risikofaktor für die Entstehung oder Ver- schlechterung verschiedener Erkrankungen nennen.

Kontrovers diskutiert: Empfehlungen zur täglichen Versorgung

Trotz Studienergebnisse und Warnhinweise ist die Frage zum täglichen Vitamin-D-Bedarf umstritten, und eine Empfehlung, prophylaktisch Vitamin-D-Präparate einzu- nehmen, bleibt von offizieller Seite weiterhin unausge- sprochen.

Dabei reichen die Forderungen für eine tägliche Versor- gung zur Vorbeugung eines Vitamin-D-Mangels von 800- 1000 IE (Internationale Einheiten) bis hin zu 1500-2000 IE von der US-amerikanischen Fachgesellschaft für Endokri- nologie. Zu therapeutischen Zwecken werden noch deut- lich höhere Empfehlungen ausgesprochen und Werte von 4000 IE und mehr sind keine Seltenheit.

In der EU gelten jedoch noch immer sehr geringe RDA- Empfehlungswerte für Vitamin D. Der RDA-Wert (Recom- mended Daily Allowances) gibt vor, wie hoch die tägliche Versorgung mit einem Nähr- oder Vitalstoff sein sollte, um den Bedarf eines gesunden Menschen zu decken. Im Falle von Vitamin D sind es 5 Mikrogramm (entsprechend 200 IE) täglich.

Neben einer unzureichenden Versorgung, wie sie derzeit bei über 60% der Menschen in Deutschland vorherrscht, lassen solch geringe Empfehlungswerte eine Mangelsitua- tion weiterhin aufblühen – und geben damit Raum für die Entwicklung und Ausbreitung vermeidbarer Krankheiten.

Zeit umzudenken, die Menschen über die besondere Bedeutung von Mikronährstoffen zu informieren, und eine ergänzende Versorgung mit Vitamin D nicht in Frage zu stellen, sondern als Aufforderung deutlich aus- zusprechen.